Schwerpunkt

Infrastruktur-Ausbau

Öffentliche Infrastrukturen als Entwicklungsfaktor

Der Begriff „Infrastruktur“ kommt historisch gesehen aus dem Eisenbahnbau und bezeichnete den Unterbau von Schienentrassen; von der militärischen Bedeutung ausgehend („Infrastruktur“ wurde in frühen NATO-Dokumenten erwähnt) hat sich der Begriff sehr verbreitert und meint heutzutage all jene Einrichtungen, die zur Daseinsvorsorge, also als Grundlage für Konsum und Produktion im weitesten Sinne dienen. Auf Infrastruktur fußen die allermeisten grundlegenden Aktivitäten von uns allen als private Haushalte (Bürger/innen und Konsument/inn/en), z.B. Wohnen, Arbeit, Bildung, Mobilität. Die Unternehmen wiederum können ohne Infrastruktur nicht produzieren (z.B. Transport, Energie, Ver- und Entsorgung, Kommunikation).

Fällt Infrastruktur aus, bemerkt man sie Infrastrukturen nehmen in unserer Gesellschaft grundlegende Funktionen wahr. Häufig ist den Bürger/innen die Bedeutung von Infrastrukturen gar nicht bewusst: Wasser, Energie, Ver- und Entsorgung, öffentlicher Raum, Mobilität. Auffällig wird Infrastruktur am häufigsten dann, wenn sie ausfällt, z.B. durch eine Leitungsstörung die Stromversorgung nicht funktioniert, ein Verkehrsmittel verspätet ist, oder der Abfall nicht entsorgt wird. Infrastruktur wird hierbei in materielle und immaterielle Infrastruktur unterschieden: Die klassischen Netzinfrastrukturen sowie technische Infrastrukturen (z.B. Schulgebäude, Verwaltungsgebäude) zählen zu den „materiellen“ Infrastrukturen, während Aufgaben im Bereich Soziales, Betreuung, Pflege, Bildung, Kultur, aber auch Rechtssicherheit, zur „immateriellen“ Infrastruktur zählen.

Geschichtlich betrachtet wurden die meisten Netzinfrastrukturen aus Gründen der öffentlichen Gesundheit geschaffen: Schon in den Römerstädten vor zweitausend Jahren gab es eine Ver- und Entsorgungsinfrastruktur, um Krankheiten und die Ausbreitung von Seuchen zu verhindern. Der heute höchste technische Standard in der Ver- und Entsorgung, insbesondere im Bereich der Wasserversorgung und der Abfallbeseitigung, trägt dazu bei, dass die Gesundheit der Bürger/innen und der Schutz der Umwelt grundsätzlich gewährleistet werden.

Adam Smith hat im Jahr 1776 über die „freie Hand des Marktes“ geschrieben und betont, dass es im Allgemeinen keinen planenden (d.h. staatlichen) Eingriff in den individuellen Austausch von Gütern und Dienstleistungen braucht, damit die Wirtschaft effizient funktioniert. Er machte jedoch eine von manchen gerne übersehene Einschränkung: Bei Infrastrukturen, z.B. Straßen oder Brücken, braucht es eine gemeinschaftliche (staatliche, planende) Anstrengung, da private Akteure nicht von sich aus diese bereitstellen.

Bis vor etwa 40 Jahren waren private Akteure in der Infrastrukturbereitstellung deshalb auch kaum aktiv: Die Errichtung und der Betrieb von Infrastrukturen war eine Aufgabe des Staates, und zwar im Rahmen eines staatlichen Monopols. Die Versorgung mit Telekommunikation, Bahnverkehr, Elektrizität, Bildung, wurde als „natürliches Monopol“ betrachtet – d.h. dass es volkswirtschaftlich sinnvoll ist, aus Kostengründen nur ein Netz (Verkehr, Strom) zu betreiben. Die neoliberale Wende, aber auch der technische Fortschritt, haben dazu geführt, dass heutzutage in vielen Bereichen die Errichtung und Erhalt des Netzes vom Betrieb und der Nutzung abgekoppelt ist: Telekommunikation wird in vielen Bereichen über ein Netz abgewickelt, die Anbieter der Dienstleistungen sind jedoch vielfältig und nutzen das Netz gemeinschaftlich. Für die Stromversorgung wird ein Netz genutzt, die Konsument/inn/en können ihren Stromanbieter jedoch frei wählen.

Die Öffnung der Netze, die ökonomisch gesehen nach wie vor als Monopole weitgehend in staatlicher Hand sind, auch für private Dienstleistungsanbieter wird von Regulierungsbehörden (Strom, Schienen) kontrolliert. Diese Entkoppelung hat sich in manchen Bereichen als volkswirtschaftlich sinnvoll herausgestellt: Der Nutzen für die Konsumtent/inn/en aus der Vielzahl der Telekommunikations- oder Stromanbieter ist nicht zu übersehen.

Private Akteure erwünscht – aber nicht überall

Für viele andere Bereiche ist eine „Marktöffnung“ nicht ohne Weiteres möglich, bzw. kann gesellschaftlich nicht erwünscht sein: In der Wasserversorgung durch die Gemeinden ergeben Systemvergleiche, dass das österreichische System der öffentlichen (kommunalen) Bereitstellung viele Vorteile im Sinn der Versorgungssicherheit, Leistbarkeit, Ressourcenschonung und langfristige Investitionsplanung aufweist. Im Bereich der Bildung (sowohl Grund- als auch weiterführende Bildung) weist gerade der freie Zugang mit dem Anspruch einer qualitativ hochwertigen Bildung für alle viele Vorteile auf – und es entspricht auch einem gesellschaftlichen Übereinkommen, möglichst vielen Menschen den Zugang zu Bildung zu ermöglichen.

In diesem Sinn hat gerade die öffentliche Infrastruktur eine immense gesellschaftspolitische Bedeutung: Der Zugang zu qualitativ hochwertiger Infrastruktur (Bildung, Gesundheit, Betreuung, Mobilität, Erholung) unterstützt den gesellschaftlichen Ausgleich und fördert die Teilhabe sozial schwacher oder benachteiligter Gruppen. Öffentliche Schulen, Kindergärten und Spitäler, aber auch qualitativ hochwertige Freiflächen zur Erholung und für die Freizeitgestaltung (z.B. die Wiener Donauinsel oder der Wienerwald) sind diesbezüglich wichtige Beispiele. Nur öffentliche und öffentlich finanzierte Infrastrukturen können hierbei diese Chancengleichheit wahren und das gesellschaftspolitische Ziel unterstützen, dass es für das berufliche Fortkommen, für die persönliche Gesundheit oder das Familienleben nicht auf den ökonomischen Status ankommen soll, sondern sich die Inanspruchnahme z.B. allein am Bedarf und an den Fähigkeiten orientieren soll.

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Infrastruktur zeigt sich somit in vielen Bereichen – diese Bedeutung allerdings zu quantifizieren, ist schwierig. Ökonomisch betrachtet trägt Infrastruktur zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung bei, allerdings nimmt der Beitrag zur Entwicklung mit dem Ausbaugrad ab. Beispielsweise verfügt Österreich über ein auch im internatio­nalen Vergleich bereits hervorragend ausgebautes Netz an Straßeninfrastruktur (insb. Autobahnen). Aus volkswirtschaftlichen Gründen trägt ein weiterer Ausbau von Autobahnen deshalb kaum mehr zur wirtschaftlichen Entwicklung bei: Zu gering sind die Effekte auf die Erreichbarkeit einer Region, bei gleichzeitigem hohen Flächen- und Umweltverbrauch.

Hervorragende Straßeninfrastruktur

Jedenfalls ergibt sich aus dem bisher Gesagten, dass das „öffentliche Interesse“ an Erhalt und Ausbau von Infrastrukturen grundsätzlich hoch ist und hoch sein muss. Das „öffentliche Interesse“ wird hierbei allgemein in den Vorteilen eines Vorhabens für die Entwicklung der Gesellschaft und der Volkswirtschaft gesehen, d.h. dass ein öffentliches, aber auch ein privates Projekt die gesellschaftlichen Ziele unterstützen kann. Das „öffentliche Interesse“ besteht aber nicht nur aus direkt wirtschaftlichen Vorteilen, sondern kann sich auch auf den Erhalt natürlicher Ressourcen (Umweltmedien, Landschaften, Biodiversität) beziehen. Bei (Netz-) Infrastrukturen insbesondere in der Energiewirtschaft, die häufig flächenintensiv und mit bedeutenden Umweltwirkungen verbunden sind, können mehrere „öffentliche Interessen“ in Konflikt geraten: Das öffentliche Interesse an einer sicheren und nachhaltigen Stromversorgung (Leitungstrassen, Wasserkraftwerke) steht im Widerspruch zu den öffentlichen Interessen des Naturschutzes. Erschwerend kommt hinzu, dass unterschiedliche Zielsetzungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen (Gesetze, Verordnungen der Europäischen Union) verankert sind. Ein prominentes Beispiel aus der letzten Zeit ist die Entscheidung über den Bau der dritten Piste des Flughafens Wien. Das Gericht hat in einer Interessenabwägung zwischen ökonomischen Interessen (Sicherung des Standortes) und umwelt- und klimapolitischen Interessen eine Entscheidung zulasten des Infrastrukturausbaus getroffen. Gerade dieses Beispiel zeigt, dass die Nutzeffekte des Infrastrukturausbaus kleiner sein können als die negativen Wirkungen auf den Flächenverbrauch und die Klimabilanz Österreichs.