Schwerpunkt

Grünes Reisen

Sauberer Urlaub – Reisen in Zeiten des Klimawandels 

Zählt man die Kurztrips hinzu, so verreisen immerhin drei Viertel der Bevölkerung. Wenig überraschend nimmt die Urlaubsintensität mit Größe des Wohnortes und Schulbildung 
zu. Reisefreudigste Berufsgruppen sind SchülerInnen/Studierende und öffentlich Bedienstete. Am anderen Ende der Liste finden sich PensionistInnen, Hausfrauen, Bauern und Arbeitslose. Urlaub ist primär eine Frage des Geldes (und sekundär der Zeit). Das zeigen Daten der Statistik Austria zu den Äquivalenzausgaben der unterschiedlich reichen Haushalte. In der folgenden Abbildung wurden die Ausgaben auf jene des ärmsten Fünftels (1. Quintil) normiert.

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Auffallend ist, dass die Mittelschicht (2. bis 4. Quintil) recht ähnliche Urlaubsausgaben hat. Erst das fünfte Quintil lässt sich seine Reisen richtig viel kosten. So liegen die Äquivalenzausgaben des reichsten Fünftels der Haushalte in Österreich generell doppelt so hoch wie jene des ärmsten Quintils. Bezüglich Urlaubskosten vergrößert sich diese Schere auf den Faktor 4,5! Mit dem Wohlstand nehmen die Reisehäufigkeit und der Hang zum Fliegen zu. Im Laufe der Jahre wurden die einzelnen Urlaube zwar kürzer, dafür scheint das Prinzip „Öfter, weiter, schneller“ angewandt zu werden. Dies erklärt dann auch, wieso die 5,7 Mio. Reisenden in Summe beinahe 20 Mio. Urlaube unternehmen, wobei sich Inlands- und Auslandsaufenthalte die Waage halten. Billigstangebote verlocken zu Reisen, die man sonst gar nicht machen würde. Den Preis dafür zahlen die Verkehrsbeschäftigten mittels Sozialdumping, sowie die Umwelt. Auch gewisse Modetrends, wie z.B. Schiffskreuzfahrten, schlagen sich bei der Umweltbilanz extrem negativ zu Buche. 

Bei rund 30 % aller Auslandsurlaube wird das Flugzeug verwendet. Das bedeutet, dass gut drei Viertel der Bevölkerung Österreichs heuer in keinem Flugzeug sitzen wird.

Problemfall Fliegen

 Genaue Daten gibt es aus Großbritannien: Hier liegt die Flugintensität der ärmeren Hälfte der Bevölkerung bei 0,5 Reisen pro Jahr. Sie steigt dann an, um für die reichsten 5% bei 3,5 Flügen zu liegen. Eine reiche Elite – aber auch viele Jugendliche – setzen auf diese, umweltschädlichste Art der Fortbewegung. 

Autokauf aufgrund des „GAUs“

Günther Lichtblau – Verkehrsexperte beim Umweltbundesamt – spricht davon, dass sich die Menschen beim Kauf eines Autos vom Größten Anzunehmenden Urlaub (=GAU) leiten lassen. Den Rest des Jahres kutschieren sie dann meist allein in ihren geräumigen Familienlimousinen herum. Die Statistik gibt ihm recht: Beinahe 2/3 aller Urlaube werden mit dem Pkw unternommen; im Inland steigt der Anteil auf 80%, bei Auslandsreisen liegt er immer noch bei der Hälfte. Die relativ kurze Urlaubszeit bestimmt also, mit welchem Fahrzeug man auch den großen Rest des Jahres unterwegs ist. Auch die Vorbehalte gegenüber Elektroautos und deren geringer Reichweite spiegelt diese Sicht auf Freizeitmobilität wider. Die Vorteile des Autos liegen ja auf der Hand: Große Flexibilität und weniger Einschränkungen bei der Menge des Gepäcks. Auf der Minusseite sind Umweltschäden, Staus, lange Fahrzeiten und die hohen Kosten, die Besitz und Betrieb eines Autos mit sich bringen. Auch hier zeigt sich: Mit wachsenden Familienbudgets steigen auch die Ausgaben für das Autofahren an.

Saubere Bahn

Aufgrund des hohen Anteils an Wasserkraftstrom, sind die Züge der ÖBB unschlagbar klimafreundlich. Noch Ende der 1960er-Jahre wurde bei einem Viertel der Urlaubsreisen die Bahn genutzt, jetzt stagniert der Anteil bei sieben Prozent. Dabei ist Bahnfahren für Familien konkurrenzlos günstig (Grafik oben). Mittels erschwinglicher VorteilsCard Familie fahren zum regulären Preis einer einzigen Fahrkarte alle mit. Die Kids müssen nicht – wie im Auto – festgeschnallt werden, sondern können sich frei bewegen. Ergattert man Sitzplätze an einem Tisch, kann gemeinsam gespielt oder gezeichnet werden.

Nachteile gibt es auch: Fährt die Bahn zur Urlaubdestination? Wie bewegt man sich dort fort? Von Österreichs Top-20-Gemeinden mit den meisten Nächtigungszahlen sind immerhin 12 mit der Bahn erreichbar. Für die Mobilität vor Ort gibt es oft interessante Angebote. Wer z.B. drei Nächte im Gebiet des Bregenzer Waldes bucht, bekommt gratis die gleichnamige Karte dazu, mit der das dichte Busnetz, sowie Bergbahnen und Schwimmbäder benützt werden können. Ein ähnliches Angebot gibt es auch rund um den Neusiedlersee.

Auch bei Ausflügen hat die Bahn Vorteile, wie z.B. die Fahrradmitnahme oder dass man bei Wanderungen nicht an den Ausgangsort zurückkehren muss.

Teuer ist Bahnfahren jedoch abseits von Zeit- und Vorteilskarten oder Sparschienen. Entschließt sich z.B. ein Pärchen, spontan für ein Wochenende von Wien nach Graz (oder umgekehrt) zu fahren, so beträgt der reguläre Preis für die Fahrkarten 160 Euro. Da steigen dann doch viele ins Auto ein. Hier zeigt sich auch eine große Systemschwäche der Bahn: Flüge können mit wenigen Klicks im Internet gebucht werden. Seit es Navis gibt, muss man zum Autofahren nicht einmal mehr eine Landkarte lesen können. Bahnfahren ist aber nach wie vor noch eine Wissenschaft: Wann fährt der Zug? Wo muss ich umsteigen? Wie komme ich zum günstigsten Tarif? Richtig kompliziert wird es häufig bei Auslandsreisen. Statt Convenience ist hier Nachdenken und Recherche gefragt. Möglichkeiten zur Verlagerung auf die Bahn wären vorhanden: Von den vier passagierreichsten Destinationen ab Flughafen Wien-Schwechat sind drei schon jetzt mit Direktzügen erreichbar.  

Verflixte Busse

Seit in Deutschland und anderen Ländern der Markt für Fernbusse liberalisiert wurde, boomt der Sektor. Bezüglich Klimabilanz sind Busse gar nicht so schlecht. Volkswirtschaftlich ist es jedoch unsinnig, dass man sich in Mitteleuropa ein dichtes Schienennetz leistet und der Bahn dann eine zusätzliche Konkurrenz schafft. Es ist auch ein Zeichen für die Polarisierung der Gesellschaft, wenn die Ärmeren im Bus fahren und sich nur mehr die eher Wohlhabenden die Bahn leisten können oder wollen. Flixbus betreibt selbst keine Busse, sondern stellt nur eine Buchungsplattform dar, die den einzelnen Busunternehmen die Bedingungen diktiert. Diese geben den wirtschaftlichen Druck an ihre FahrerInnen weiter. Fahrgastbeschwerden sind häufig und werden nur widerwillig bearbeitet. Seit Flixbus den Konkurrenten Eurolines aufgekauft hat, ist er auf vielen Strecken faktisch Monopolist.  

Niedergang und Renaissance der Nachtzüge

Die Idee ist bestechend: Man steigt am Abend in den Zug ein, fährt schlafend Richtung Urlaubsdestination und kommt am nächsten Morgen am Ziel an. Jahrzehntelang war ganz Europa mit einem dichten Netz von Nachtzugangeboten verbunden. Selbst der „Eiserne Vorhang“ war dabei kein ernsthaftes Hindernis. Doch dann kam das Konzept von mehreren Seiten unter Druck: Einerseits machten Hochgeschwindigkeitsstrecken manche Nachtzugrelationen obsolet. Der Preisverfall bei Flugtickets – in Österreich sind Flugreisen innerhalb von 15 Jahren um 45 % billiger geworden – tat ein Übriges. Durch Liberalisierungsdruck und Sparzwänge fehlte den Bahngesellschaften das Geld für Neuinvestitionen, wodurch ein Teufelskreis in Gang gesetzt wurde: Altes Rollmaterial macht die Nachtzüge unattraktiver, weshalb man sie nach und nach einstellte. Vor zwei Jahren zog sich auch die Deutsche Bahn wegen angeblich hoher Defizite zurück. Die ÖBB, die stets am Nachtzuggeschäft festgehalten hatte, übernahm rund 40 % der DB-Verbindungen und schreibt damit schwarze Zahlen. Inzwischen wurden auch neue Waggons bestellt. Sobald diese ausgeliefert werden, soll das Netz weiter ausgebaut werden. Denn Lücken gibt es genug. Dass es z.B. keinen einzigen Nachtzug in die EU-Hauptstadt Brüssel gibt, ist ein gutes Beispiel für Marktversagen. Auch Verbindungen von Österreich nach Nord- und Südosteuropa wären notwendig. Da Strecken und Rollmaterial heutzutage höhere Geschwindigkeiten zulassen, könnten Nachtzüge auch Entfernungen von rund 1.500 km und mehr gemütlich überbrücken. Mit einem solchen Radius kann von Österreich aus ein großer Teil Europas abgedeckt werden. Schon jetzt machen die Einnahmen 20 Prozent des Umsatzes des ÖBB-Fernverkehrs aus. Die Fahrgastzahlen sollen von 1 Mio. (2016) auf 1,7 Mio. im Jahre 2020 hochschnellen. Denn die ÖBB-Nightjets sind gut ausgelastet. Statt entwürdigender Sicherheits-Checks, fehlendem Service und engen Sitzreihen erfährt man die zurückgelegten Entfernungen im wahrstem Sinn des Wortes. In Schweden, wo das Wort „Flygskam“ (Flugscham) kreiert wurde, hat die Regierung angekündigt, neue Nachtzugverbindungen Richtung Mitteleuropa zu bestellen. Dann wird nicht nur Greta Thunberg mit dem Zug unterwegs sein!