Schwerpunkt

Klimapolitik

Sozial gerechte Klimapolitik und Just Transition

Das Pariser Klimaschutzabkommen sieht vor, dass der globale Temperaturanstieg seit Beginn der Industrialisierung im besten Fall auf 1,5 Grad Celsius begrenzt wird. Der dafür notwendige Ausstieg aus fossilen Energieträgern wird einen tiefgreifenden Wandel von Wirtschaft und Lebensweise mit sich bringen. Anpassungen der Produktion, der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und der Infrastruktur werden in einigen Sektoren Beschäftigungsrückgänge nach sich ziehen. Insgesamt sind mit der Transformation Chancen, aber ebenso hohe Kosten verbunden.

In den letzten Jahren sind die Auswirkungen der Klimakrise weltweit immer stärker wahrzunehmen, nicht zuletzt an extremen Wetterereignissen. Während diese insgesamt wirtschaftliche Kosten in Rekordhöhe verursachen, sind Menschen mit geringem Einkommen sowohl den Auswirkungen des Klimawandels als auch den Herausforderungen der Klimapolitik tendenziell stärker ausgeliefert als Wohlhabende. So fordern Anpassungsmaßnahmen wie etwa der Einbau von Klimaanlagen ebenso ausreichende finanzielle Mittel wie der Umstieg auf „steuerschonende“ Elektromobilität. 

Angesichts der großen Dringlichkeit der Klimafrage bemühen sich die EU-Institutionen aktuell darum, den Rahmen für die zügige Dekarbonisierung der Wirtschaft weiter zu schärfen. 

Bereits Ende letzten Jahres hat die Europäische Kommission ihre „strategische, langfristige Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft“, die Mitteilung „Ein sauberer Planet für alle“, vorgelegt. Darin betont sie, dass der Ausstieg aus fossiler Energie eine große soziale Herausforderung darstellt und für die Beschäftigten mit Chancen und Risiken verbunden ist (siehe Kasten S. 13). In ihrem jüngsten Reflexionspapier zur Umsetzung der UN-Ziele nachhaltiger Entwicklung spricht sie sich in diesem Sinne für die „Sicherstellung einer sozial gerechten Wende“ aus.

Gewerkschaftliche Zugänge 

Diese Initiativen zeigen, dass die soziale Dimension der Klimapolitik von den relevanten Institutionen anerkannt wird. „Just Transition“ (gerechter Übergang) wurde auch im Zusammenhang mit den internationalen Klimaverhandlungen als Leitbegriff der Gewerkschaftsbewegung geprägt. Seit dem Beginn der internationalen Klimapolitik bemühen sich der Internationale Gewerkschaftsbund bzw. seine Vorläuferorganisationen darum, die Interessen von ArbeitnehmerInnen und Fragen sozialer Gerechtigkeit in den Verhandlungsprozess einzubringen. 

Im Vordergrund stehen dabei zwar oftmals die Effekte von Klimawandel 
und -politik auf jene Beschäftigten, die von diesen Entwicklungen negativ betroffen sein könnten. Dennoch werden Ansatzpunkte für eine gerechte Gestaltung des notwendigen Strukturwandels und deren Auswirkungen auf Arbeits- und Lebensbedingungen auch breiter thematisiert. Konkrete Pfade für einen gerechten Übergang in eine postfossile Gesellschaft können dann gleichzeitig zur Erreichung beschäftigungs-, sozial- und umweltpolitischer Ziele beitragen. 
Im Mai 2018 hat beispielsweise der EGB einen Leitfaden zu Just Transition vorgelegt. Neben Empfehlungen zu wirtschaftlicher Diversifizierung und Industriepolitik, Qualifikationen und sozialer Sicherheit enthält dieser auch einen Überblick über die gewerkschaftliche Beteiligung an der Entwicklung von nationaler Klimapolitik sowie innovative Praxisbeispiele. Da Lösungen stets kontextspezifisch sein müssen, versucht auch die AK, den klimapolitischen Diskurs in Österreich durch Veranstaltungen („Zur Zukunft von Arbeit und Umwelt“, AK-Klimadialoge), Veröffentlichungen und Allianzen (siehe Kasten rechts) dahingehend zu beeinflussen.

Für eine sozial gerechte Klimapolitik

Die AK fordert in ihren Positionen zur Klima- und Energiepolitik primär einen sozial gerechten Wandel und bezieht sich dabei u.a. auf das Konzept einer „Just Transition“. Darunter versteht sie die Gestaltung der Klima- und Energiepolitik in einer Weise, die die klimapolitischen Erfordernisse ebenso ernst nimmt wie die Interessen der ArbeitnehmerInnen. Die nachteiligen Auswirkungen der Transformation müssen abgemildert werden, während es ihre positiven Potenziale aktiv zu nutzen gilt. In Stellungnahmen werden stets Beschäftigungs- und Verteilungsaspekte der Klimapolitik umfassend thematisiert. Die AK erwartet von der nächsten österreichischen Bundesregierung und von der kommenden Europäischen Kommission, dass sie bei hoher klimapolitischer Ambition Fragen sozialer Gerechtigkeit im Kern berücksichtigen.

Um die Klimaziele zu erreichen, wird der Einsatz sämtlicher politischer Instrumente gefordert, von klassischen ordnungsrechtlichen Vorgaben bis zu Bewusstseinsbildung. Ein Schwerpunkt liegt insbesondere auf gezielten öffentlichen Investitionen. 

Dabei muss die Entstehung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Energiezugang und Mobilität verhindert werden. Energieversorgung und ein flächendeckendes Angebot an öffentlichen Verkehrsdiensten sind grundlegende Leistungen der Daseinsvorsorge. Eine sichere Versorgung mit sauberer Energie und emissionsfreier Mobilität für alle Menschen ist das notwendige Ziel. Daher ist darauf zu achten, dass Netz- und Ausbaukosten fair verteilt sind und Energieeffizienzmaßnahmen auch bei einkommensschwächeren Haushalten ankommen. Energiearmut muss entschlossen bekämpft werden, eine Ökologisierung des Steuersystems unbedingt sozial gerecht ausgestaltet sein.

Ansätze einer Just Transition

ArbeitnehmerInnen, die durch Klimawandel und Klimapolitik bedingte Veränderungen negativ betroffen sein könnten, müssen besonders bedacht werden. Für sie gilt es, unter Einbindung ihrer betrieblichen und überbetrieblichen InteressenvertreterInnen, möglichst frühzeitig Strategien zu entwickeln. Diese können auf die Umstellung ganzer Betriebe auf neue Geschäftsfelder abzielen (siehe Schwerpunkt Artikel "Was wird aus österreichs Autozulieferindustrie"), oder primär arbeitsmarktpolitische Vorkehrungen für die Qualifizierung und Weiterbildung der Beschäftigten und deren wirtschaftliche Absicherung treffen.

Zur Einbettung dieser Strategien sind funktionierende sozialstaatliche Strukturen, handlungsfähige öffentliche Unternehmen sowie gut finanzierte Leistungen der Daseinsvorsorge und sozialen Sicherheit unumgänglich. Bei Abhängigkeit ganzer Regionen von einzelnen Branchen können darüber hinaus umfassende strukturpolitische Konzepte für eine Bewältigung des Wandels erforderlich sein. Zur Unterstützung einer gelingenden Trans­formation sind daher ausreichende Mittel vorzusehen. In diesem Sinne ist auch die Einrichtung eines eigenen EU-Just Transition Fonds in Betracht zu ziehen.

Derzeit bestehen primär Vermutungen oder Befürchtungen, wie sich die Klimapolitiken im In- und Ausland auf die Produktionsstrukturen in Österreich auswirken könnten. Ebenso gibt es berechtigte Warnungen vor den negativen Verteilungseffekten klimapolitischer Instrumente. Nun gilt es, diese Wirkungen in einem kooperativen Vorgehen von Wissenschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft, SozialpartnerInnen und Politik zunehmend faktenbasiert zu untermauern. Zuverlässige empirische Evidenz ist eine zentrale Voraussetzung, um ambitionierte Klimapolitik sozial gerecht zu gestalten.