Schwerpunkt

Automatisierung

Rechtliche Grauzonen durch autonomes Fahren

Während derzeit über das Potenzial und das Risiko automatisierter und autonomer Fahrsysteme diskutiert wird, bleibt die menschliche Perspektive oftmals auf der Strecke. Das autonome Fahrsystem gilt als sicherer, effektiverer und auch ökonomisch effizienterer Fahrer als der Mensch. Auch wenn bereits diese Grundannahmen zu hinterfragen sind und die Automobilhersteller erst die technische Umsetzbarkeit ihrer Visionen aus den Werbevideos belegen müssen, so sollen in diesem Beitrag nicht die Maschinen, sondern die Menschen als Betroffene der Maschinenwelt im Vordergrund stehen. 

Wer stellt die Regeln auf?

Das Verhalten automatisierter Fahrzeuge basiert auf der Verkehrslogik, die durch ProgrammierInnen der Autohersteller festgelegt wird. Die faktischen Entscheidungen über Straßenverkehrsverhalten automatisierter Fahrzeuge liegen somit bei jenen Unternehmen, die Fahrzeuge herstellen. Mittels Softwareupdate können diese Regeln sodann auch vollautomatisch verändert werden. In einer rechtsstaatlichen Demokratie werden rechtliche Regeln aber durch den demokratisch gewählten Gesetzgeber, also das Parlament, festgelegt. Beim Einsatz automatisierter und autonomer Fahrzeuge ist es daher erforderlich, dass das Einhalten der gesetzlichen Regelungen – wie der Straßenverkehrsordnung – auch effektiv durch die Behörden überprüft werden kann und faktisch überprüft wird. Wie eine Lenkerin im Rahmen der Führerscheinprüfung nachzuweisen hat, dass eine fachliche Befähigung zum Lenken eines Kfz besteht, so ist es erforderlich neben der technischen Zulassung auch eine eigenständige Überprüfung des Straßenverkehrsverhaltens der automatisierten bzw. autonomen Fahrzeuge vorzunehmen. Diese Überprüfungen haben in jedem Staat gesondert zu erfolgen, da sowohl die Straßenverkehrsregeln als auch die Fahrkultur unterschiedlich sind. Es bedarf letztlich der behördlichen Überprüfung, dass die von privaten Autoherstellern programmierten Regeln dem staatlichen Recht entsprechen.

Wer ist verantwortlich?

Eine wesentliche Fragestellung des Verkehrsrechts bezieht sich auf Haftung bei einem Verkehrsunfall. Während bislang Haftpflichtversicherungen ökonomisch das Unfallrisiko verteilen, klären Gerichte die Schuldfrage. Mit der Einführung automatisierter und autonomer Fahrsysteme verschieben sich die Verantwortlichkeiten. Bei der Zurechnung von Straßenverkehrsverhalten ist es wesentlich, dass nicht Menschen für maschinelle Fehlreaktionen oder Überforderungen von Maschinen verantwortlich gemacht werden. Auch wenn entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen, insbesondere in Form der Produkthaftung und der Haftpflichtversicherungen, bestehen, so ist es dennoch erforderlich, dass beim Kauf des Autos sowie bei der Vertragsgestaltung von Versicherungen keine unangemessenen Risikoverschiebungen entstehen. Ein wesentliches Kriterium für die Verteilung von Verantwortlichkeit bei automatisierten Fahrsystemen ist die Übernahmeverpflichtung durch die Lenkerin. Je nach rechtlicher Ausgestaltung wird der menschlichen Fahrerin oder dem automatisierten Fahrsystem die Verantwortung für den aus einer kritischen Verkehrssituation entstandenen Verkehrsunfall übertragen. 

Ebenso herausfordernd ist allerdings die Beweisfrage im Gerichtsverfahren. Interne Protokollierungssysteme der Automobilhersteller sind nicht ausreichend, um zu klären, ob der Verkehrsunfall durch ein Versagen des Fahrsystems oder durch menschliche Schuld verursacht wurde. Es bedarf vielmehr eines externen, staatlichen Kontrollsystems (wie etwa einer Blackbox) die herstellerunabhängig installiert und überprüft werden kann. Letztlich entsteht im Hinblick auf gerichtliche Haftungsverfahren für LenkerInnen ein neues Prozesskostenrisiko, da sich nun nicht mehr zwei gleichwertige Parteien im Gerichtsverfahren gegenüberstehen, sondern potenziell ein übermächtiger Konzern (mit entsprechender rechtliche Vertretung und der Möglichkeit zahlreiche Sachverständigengutachten vorzubringen) einer/m privaten FahrzeuglenkerIn (ohne all diese Möglichkeiten).

Womit wird bezahlt?

Auch wenn derzeit automatisiertes Fahren insbesondere der Oberklasse vorbehalten ist, so werden in den nächsten Jahr(zehnt)en zahlreiche neue Fahrsysteme in der gesamten Breite des Automarktes angeboten werden. Darüber hinaus versprechen autonome Fahrsysteme (Busse im Regional- oder Stadtverkehr, Taxis sowie andere Car-Sharing Systeme) kostengünstigere Modelle, die Gemeinde-, Stadt- und Landesbudgets entlasten und für den jeweiligen Fahrgast eine Preisersparnis mit sich bringen sollen. Es gilt allerdings zu bedenken, dass derartige Entwicklungen auch ihren Preis haben. So wird künftig insbesondere mit personenbezogenen Daten bezahlt und es ist überdies mit einer Verschlechterung von Arbeitsbedingungen in der Verkehrsbranche zu rechnen. 

Schon heute werden zahlreiche fahrzeugbezogene Daten von Automobilherstellern gesammelt und spätestens bei einer Serviceüberprüfung auch ausgelesen. In diesem Zusammenhang wird oftmals der Schein erweckt, dass es sich ohnedies nur um technische Daten handelt. Dies ist aber nicht der Fall: Zum einen ist die Anzahl der typischerweise mit einem Privat-PKW fahrenden Personen sehr begrenzt, womit ein Personenbezug zur Lenkerin herstellbar ist. Es liegen aus diesem Grund nicht nur technische, sondern eben auch personenbezogene Daten vor. Zum anderen sagen diese Daten nicht nur etwas über den Zustand des Fahrzeuges aus, sondern auch über die Fahrweise der Lenkerin. Je nach Intensität der erfassten Daten können etwa Informationen über die (durchschnittliche) Belegung des Fahrzeuges oder sogar über die Mobilität der Lenkerin und über die Orte, die mit dem Fahrzeug aufgesucht worden sind, generiert werden. Derartige Daten interessieren nicht nur Automobilhersteller und Versicherungen, sondern jedenfalls auch Werbeunternehmen und letztlich staatliche Polizeibehörden (bei relevanten Verdachtsmomenten). Mit der Automatisierung des Fahrens endet – wenn nicht entsprechende datenschutzrechtliche Regelungen bestehen – die Freiheit des Fahrens und führt zu einer Überwachung der Lenkerin.

Automatisierung erhöht nicht nur das Risiko, dass Arbeitsplätze durch Maschinen ersetzt werden, sondern vor allem auch, dass sich Arbeitsbedingungen verschlechtern. Übernimmt die Maschine einen Teil der Arbeit, so wird davon ausgegangen, dass die Arbeitnehmerin automatisch entlastet wird. Wie das Beispiel der Pilotin zeigt, bedeutet die Tätigkeit der Überwachung automatisierter Systeme aber nicht zwingend eine Verringerung der Bedeutung der Tätigkeit oder gar eine Entlastung von Verantwortung. Es ist im Gegenteil auch bei zunehmender Automatisierung der Schutz von Arbeitnehmerinnen besonders genau zu regeln und zu überprüfen, um eine Aushöhlung bestehender Rechte zu verhindern.

Welche Regeln sind erforderlich?

Noch werden rechtliche Regeln von Menschen für Menschen erstellt und nicht von Maschinen für Maschinen. Solange dies gewährleistet ist, haben sich die technischen Entwicklungen an die rechtlichen Rahmenbedingungen zu halten. Die Einführung automatisierten und autonomen Fahrens ist keine zwingende gesellschaftliche Tatsache, wie dies Technikbegeisterte oft vermuten. Es bedarf – im Gegenteil – einer bewussten und aktiven Entscheidung des demokratischen Gesetzgebers. Es ist aber auch erforderlich, dass in einem demokratischen Rechtsstaat entsprechende gesetzliche Rechtsvorschriften geschaffen werden, die festlegen, unter welchen Bedingungen automatisiertes und autonomes Fahren zulässig sind. Das Gestaltungspotenzial ist groß, die Gestaltungsnotwendigkeit ebenso. Wie aufgezeigt, sind rechtliche Regeln für adäquate Kontrollen des Straßenverkehrsverhaltens automatisierter Fahrsysteme vor der Zulassung derselben, angemessene Aufteilungen von Verantwortlichkeiten sowie die Möglichkeit einer unabhängigen Überprüfung derselben ebenso erforderlich wie datenschutzrechtliche Schranken und arbeitsrechtliche Garantien. Nur wenn es gelingt auf Basis demokratischer Gesetze einen rechtlichen Rahmen für automatisiertes und autonomes Fahren zur Verfügung zu stellen, nur dann wird auch noch dem Menschen in der Maschine Genüge getan. ¨