Schwerpunkt

Kreislaufwirtschaft

Ressourcen: Läuft die Wirtschaft im Kreis?

Kreislaufwirtschaft ist seit Jahrtausenden weltweit die Strategie von Agrargesellschaften. Sie roden Wälder, pflanzen an ihrer Stelle für sie nützliche Pflanzen (Nahrungsmittel für Mensch und Nutztier, Fasern für Bekleidung, und Genussmittel wie Tabak oder Wein), ernten diese für ihren Gebrauch und achten darauf, die Reststoffe gezielt zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit auszubringen. Die Energie der Sonneneinstrahlung sorgt dann dafür, dass die sich zersetzenden Reste wieder als strategische Materialien dem nächsten Zyklus zur Verfügung stehen. Diese Strategie verlangt gute Kenntnisse, und man kann dabei Fehler machen. Sie beruht auf einem positiven, aber kleinen Netto-Energieertrag: Menschen können mit ihrer Arbeit etwas mehr Nahrung (und damit Energie) erwirtschaften, als sie selber brauchen. Dafür wenden sie allerdings sehr viel Arbeitszeit auf; und weil es so viel zu tun gibt, kriegen sie viele Kinder, die die Arbeitslast mit übernehmen. Das erzeugt Bevölkerungswachstum, und verschärft auf Dauer das Problem: Bevölkerung und Arbeitslast steigen, und der Wohlstand pro Kopf sinkt allmählich. Solche Verhältnisse haben wir heute noch immer in weiten Teilen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas.

Grenzen des Wachstums

Mit der Entdeckung und Nutzung von Fossilenergie (Kohle, Torf, Erdöl, Erdgas) werden diese beschränkten Verhältnisse durchbrochen. Plötzlich ist der Netto-Energieertrag viel höher: die Arbeit von ein paar Dutzend Arbeitern in einer Kohlemine (die natürlich durch die Landwirtschaft ernährt werden müssen), kann das Heizen und Kochen einer ganzen Stadt von der Bodenbewirtschaftung unabhängig machen. Technische Entwicklungen wie die Dampfmaschine, der Ottomotor oder die Elektrizität heben diese Möglichkeiten auf ein neues Niveau. Mit diesem Durchbruch kommt es zur „industriellen Revolution“. Gegenwärtig kann etwa ein Viertel der Weltbevölkerung darauf zählen, dank dieses großen Energieüberschusses beliebige Mengen der unterschiedlichsten Materialien für seinen Alltagskomfort zu nützen, völlig ungeachtet ihrer planetaren Regenerierbarkeit. Zunehmend zeichnet sich jedoch ab, dass das nicht einfach so weitergeht: Das Verbrennen fossiler Energieträger droht das Klima zu kippen, die meisten strategischen Rohstoffe werden sogar bei derzeitigen Nutzungsraten in den nächsten Jahrzehnten den Höhepunkt ihrer Förderbarkeit überschreiten („peak“; Sverdrup & Ragnarsdottir, 2014). Ein Wachstumsspielraum, der zuließe, dass die übrigen drei Viertel der Weltbevölkerung eine ähnlich verschwenderische Lebensweise entwickeln, ist nicht gegeben. Einem großen Teil von ihnen gelingt es nicht, das agrargesellschaftliche Muster von Armut und hohem Bevölkerungswachstum zu verlassen. Das International Resource Panel (IRP 2011) schätzt, dass eine global konvergente Lebensweise im besten Fall auf dem halben Durchschnittsniveau des gegenwärtigen Ressourcenverbrauchs westlicher Industrie­länder möglich wäre. 

 EU-Ressourcenpolitik

Anfangs durch Reduktionsziele gekennzeichnet, wird heute von der EU das Konzept einer „circular economy“ verfolgt. Kreislaufwirtschaft knüpft an agrargesellschaftliche Erinnerungen an, in denen die Großmutter ihre Abfälle entweder dem Vieh verfüttert, in den Boden einackert oder im Herd verheizt. Allerdings ist heute die materielle Zusammensetzung gesellschaftlicher Ressourcen eine völlig andere: es dominieren fossile Energieträger und mineralische Baustoffe. Fossile Energieträger, in Industrieländern rund ein Drittel der Rohstoffe, kann man überhaupt nicht „im Kreis führen“; dagegen spricht die Thermodynamik, eines der grundlegenden Gesetze der Physik. Man kann sie bestenfalls „kaskadisch“ nutzen, d.h. die Abwärme oder die Reststoffe eines Prozesses noch einmal in einen anderen einspeisen. 

Bau- und Kunststoffe

Soweit Baustoffe, auf deren hohen Zementanteil erhebliche klimaschädliche Emissionen zurückgehen, „im Kreis geführt“ werden, handelt es sich zumeist um Downcycling: mit viel Energieaufwand werden sie zerkleinert und in den Unterbau von Straßen und dergleichen eingebracht, werden also nicht für die gleichen Anwendungen wie das Ausgangsmaterial eingesetzt. Ähnlich verhält es sich mit Kunststoffen, die selbst ein Derivat fossiler Energieträger darstellen. Die vielfältigen, meist opak gehaltenen Mischformen mit unzähligen Zusatzstoffen sowie die Verteilung in kleinsten Mengen quer durch die Haushalte vor allem der Industriegesellschaften führen bereits bei der Wiedereinsammlung durch ihre geringe Dichte zu einem beträchtlichen Energieaufwand pro Kilogramm Material. Abgesehen von wenigen Ausnahmen ist dann nur mehr ein Downcycling möglich, d.h. es müssen Sekundärmärkte geschaffen werden. So werden aus Lebensmittelverpackungen z.B. Blumentöpfe oder Prozesswärme, wenn eine stoffliche Verwertung zu aufwändig wäre. 

Metallrecycling

Die besten Aussichten einer Kreislaufführung gibt es bei der dritten Gruppe von Rohstoffen, den Metallen. Seit diese das gesellschaftliche Repertoire an genutzten Rohstoffen erweitern, werden sie recycliert. Zu Beginn erfolgte der Umgang mit dem kostbaren Material, das von der Mine bis zum Rohmetall bereits viel der knappen Energie und Arbeit erforderte, äußerst sorgsam. Produkte wurden so lange wie möglich repariert, zu neuen Produkten refabriziert oder es wurde zumindest der enthaltene Rohstoff weiterverwendet. Während es sich in den ersten Jahrhunderten lediglich um eine Handvoll verwendeter Metalle gehandelt hat, lässt die Palette moderner Produkte mittlerweile kaum ein Metall bzw. Metalloxid des Periodensystems aus. Zudem werden die Metalle nicht mehr getrennt eingesetzt, denn durch unzählige High-Tech-Innovationen bei Produktionsverfahren kommen nicht nur Legierungen, sondern auch unterschiedlichste Metallkombinationen auf kleinstem Raum zum Einsatz. Die Schlagworte sind hier z.B. Mikro oder Nano. Besucher von nahezu staubfreien Produktionshallen können diese oft nur durch Schleusen betreten und müssen spezielle Überkleidung anlegen, um die Produktionsqualität sensibler Fertigungstechnologien nicht zu gefährden. Im Kontrast dazu stehen die Technologien zum Recycling, die sich in ihrer prinzipiellen Wirkweise seit Jahrzehnten kaum verändert haben: Magnetabscheidung, Schreddern, Schwemmen, Verblasen, Rütteln und Sieben. Dem zunehmenden Elektronikschrott lässt sich so nicht zu Leibe rücken. Noch viel mehr Metall befindet sich allerdings nicht in unseren gegenwärtigen Abfällen, sondern in unseren gebauten Infrastrukturen und langlebigen Produkten. Diese „Bestände“ machen in industrialisierten Ländern 350 Tonnen pro Kopf aus, und davon sind etwa zwölf Tonnen Metalle. Global haben sich diese Bestände seit 1990 verdoppelt und die Wachstumskurve deutet steil nach oben. Selbst im hypothetischen Fall eines stofflichen Recyclings unserer Abfälle zu 100% könnten wir bei andauerndem Wachstum lediglich etwa ein Drittel der Rohstoffe durch Kreislaufführung ersetzen.

Systeminnovationen 

Vielleicht weist das neben der Thermodynamik auf die zweite große Herausforderung der so eingängigen Vorstellung einer Kreislaufwirtschaft hin: Sie lässt sich mit einer End-of-Pipe-Strategie nicht umsetzen, sondern würde zum einen statt quantitativem Wachstum eine Stabilisierung der Materialflüsse meist auf kleinräumiger Skalenebene, und zum anderen ein verbindliches Einhalten von weltweiten Designkriterien der Kreislaufführung für sämtliche Artefakte, vom Mixer bis zur Fabrikhalle, erfordern. Im Grunde setzt das einen kompletten Umbau unseres Wirtschaftssystems voraus, in dem das Primat der technologieorientierten Produktion durch ein Primat der arbeitsintensiveren Instandhaltung abgelöst wird. Statt Produkt- sind damit Systeminnovationen gefordert. Erst so eine Kreislaufwirtschaft könnte den Ressourcenverbrauch auf ein umweltverträgliches Maß reduzieren und würde nicht bloß Wachstumswünsche bedienen. Ob unter solchen Bedingungen die Kreislaufführung für eine wachstumsgläubige Politik und Wirtschaft verlockend ist, bleibt offen. Für die Entlastung der Umwelt ist jedenfalls eine solide Politik sowohl für reduzierten Ressourcenverbrauch als auch für Investitionen in schlanke wartungsarme Infrastrukturen weitaus lohnender. ¨