Schwerpunkt
Gutes Leben für alle
Wege aus der Krise
Während andernorts die Zeiger langsam wieder auf Erholung stehen, bleibt die österreichische Konjunktur auf Krisenniveau und die Arbeitslosigkeit in neuen Rekordhöhen. Lange konnte Österreich darauf verweisen, die „Krise“ relativ gut gemeistert zu haben, doch nun scheinen sich die Vorzeichen umzudrehen. Um dies zu vermeiden, bedarf es eines wirtschaftspolitischen Kurswechsels, der die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verteilungsfrage ins Zentrum rückt.
Politische Blockaden, ebenso wie selbst auferlegte Zwänge wie die EU-Fiskalregeln und die daraus resultierende „Schuldenbremse“ setzen uns Jahr für Jahr vor dasselbe Bild: Notwendige und nachhaltige Investitionen werden zurückgehalten, es gilt vielmehr ein vermeintliches Budgetloch zu stopfen. Nach einem umgekehrten Gießkannenprinzip hat jedes Ressort einen gewissen Prozentsatz seiner Ausgaben zu kürzen.
Eine gefährliche Entwicklung: Der Standort Österreich wird als „abgesandelt“ heruntergeredet und dadurch der politischen Boden für seitens der Wirtschaft lang ersehnte „Reformen“ bereitet. Es wird eine Austeritätspolitik auf dem Rücken der Erwerbstätigen und sozial Schwachen betrieben anstelle von Konjunkturbelebung und Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Pflege. Eine Abwärtsspirale, deren gegenteilige Effekte auf Konjunktur, Arbeitslosigkeit, soziale Absicherung und Staatsverschuldung in den sogenannten Krisenländern mehr als deutlich zu Tage getreten ist.
Austeritätspolitik gescheitert
Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt hierbei die EU-Kommission, die die Sparpolitik mit ihren „länderspezifischen Empfehlungen“ nahezu erzwingt. Jahr für Jahr werden den Mitgliedstaaten im Rahmen des „europäischen Semesters“ Empfehlungen für sogenannte wachstumsfördernde Strukturreformen vorgelegt. Ein zutiefst undemokratischer Prozess, das – ohnehin schwache – EU-Parlament spielt in diesem Prozess keine Rolle.
Zwar geht es nominell um die Beförderung von Wachstum im Euroraum, doch soll dies mit teils rigoroser Sparpolitik erreicht werden. Regelmäßig fordert die Kommission zur Deregulierung geschützter Bereiche wie z.B. des Mietrechts, zur Privatisierung und zur Zurückdrängung von Gewerkschaftsrechten z.B. bei der Lohnfindung sowie Absenkung der Mindestlöhne auf. Eine Entwicklung, die Gewerkschaften zunehmend unter Druck setzt und als AkteurInnen im politischen Verteilungskampf als „wachstumsschädigend“ zurückdrängen soll.Tatsächliche Strukturreformen sehen anders aus. In Österreich macht die Allianz „Wege aus der Krise“ – ein Bündnis aus Gewerkschaften und NGOs – vor, wie es geht: sie zeigt auf, welche Bedeutung öffentliche Investitionen und eine gerechte Vermögensbesteuerung haben, um sich den gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen zu stellen.
Zukunftsinvestitionen
Im jährlich von der Allianz veröffentlichten „zivilgesellschaftlichen Zukunftsbudget“ wird der Reformbedarf anhand jederzeit umsetzbarer Zukunftsinvestitionen beschrieben, die eine nachhaltige Wirkung auf die gesamte Gesellschaft haben. „Gute Budgetpolitik für alle“ erfordert neue Prioritätensetzung hin zu sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen öffentlichen Investitionen, die einerseits direkt auf die aktuellen Herausforderungen eingehen (Bildung, Kinderbetreuung, demographische Entwicklung, drohende Klimakatastrophe …) und gleichzeitig unmittelbar Arbeitsplätze schaffen. Dringend erforderlich sind daher Investitionen in Bildungseinrichtungen, Pflegedienstleistungen, nachhaltige Energie, sozialen und/oder nachhaltigen Wohnbau, in eine ökologische Umgestaltung der Wirtschaft oder in den öffentlichen Nahverkehr. Ein budgetpolitisches „Zuckerl“ gibt’s noch dazu: Die im Zukunftsbudget vorgeschlagenen Maßnahmen (inkl. einer ökosozialen Steuerreform) ermöglichen eine raschere wirtschaftliche Erholung als der jüngst beschlossene Bundesfinanzrahmen.
Arbeitsplätze schaffen
Eine der Hauptprioritäten muss zweifelsfrei der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit sein. Dies gelingt nicht nur durch die genannten Zukunftsinvestitionen. Steigende Arbeitslosigkeit und stagnierendes Arbeitsvolumen einerseits, Arbeitsverdichtung und das Ansteigen durch Arbeits(zeit-)druck bedingter Erkrankungen auf der anderen Seite (bei gleichzeitig gewünschtem stetig längerem Verbleib im Erwerbsleben) sind kein unlösbarer Widerspruch, sondern zeigen, dass die Umverteilung von Arbeit notwendiger ist denn je.
Es liegt auf der Hand, dass die steigende Arbeitslosigkeit nicht mehr mit dem „Allheilmittel“ BIP-Wachstum bekämpft werden kann. Nicht nur, dass entsprechende Wachstumsraten – auch in zukünftigen Nachkrisenzeiten – nicht mehr realistisch sind, stetig steigender Ressourcenverbrauch und ein Konsumverhalten, das mit Bedürfnisabdeckung nur noch wenig gemein hat, treiben unseren Planeten in die nur noch schwer aufhaltbare Klimakatastrophe. Es gilt daher, die vorhandenen Arbeitsplätze auf mehr Köpfe zu verteilen, indem wir 40 Jahre nach der Verkürzung der gesetzlichen Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden die Arbeitszeit zum Wohle aller neuerlich verkürzen.
Arbeitszeitverkürzung schafft Lebensqualität. Zunehmend regt sich Widerstand gegen die voranschreitende „Ökonomisierung“ unseres gesamten Lebens. Durch eine generelle Arbeitszeitverkürzung wird sich diese gesellschaftliche Entwicklung zwar nicht aufhalten lassen, es wird jedoch die Möglichkeit zu einer ausgewogenen Priorisierung geschaffen. Unabhängig davon, ob es hier um die Familie, FreundInnen, Weiterbildung, zivilgesellschaftliches Engagement oder persönliche Hobbies geht: mehr Zeit dazu führt nicht nur zu einer wesentlich besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, sie fördert auch gesellschaftliche Teilhabe und Demokratie. Und sie sichert und schafft Arbeitsplätze, was wiederum die Teilhabe jener ermöglicht, die andernfalls aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit Gefahr laufen, aus gewissen Bereichen der Gesellschaft gedrängt zu werden.
Die „Degrowth-Debatte“ geht einen Schritt weiter und denkt Szenarien in einer Post-Wachstumsgesellschaft. Was oft als sozialromantische Utopie abgetan wird, trifft einen wahren Kern: Weniger Produktion bedeutet weniger Belastung für unseren Planeten. Eine Weitergabe von Produktivitätssteigerung in Form von Arbeitszeitverkürzung schafft einen sinnvollen Ausgleich und gleichzeitig ein kostenneutrales Szenario.
Verteilungsfrage
Die anhaltende Krise hat europaweit gezeigt, dass der Graben zwischen Arm und Reich wächst. Gerade jene, die ohnehin bereits im Überfluss leben, profitieren noch einmal mehr von der Austeritätspolitik. Sozialer Fortschritt ist nur dann möglich, wenn es gelingt, diese Kluft ein Stück weit zu schließen. Die geforderten „Zukunftsinvestitionen“ sind zum Nutzen der gesamten Gesellschaft, daher ist es nur gerecht, auch die Kosten in der Gesellschaft fair zu verteilen. Ein Thema, das die österreichische Politik sorgsam vermeidet. Die Faktoren Arbeit und Konsum werden in Österreich überproportional hoch besteuert, während Vermögen – leistungslose Einkommen – nahezu ungeschoren davonkommen. In Reaktion darauf wurde nun mit der Lohnsteuerreform ein Meilenstein angegangen, doch bleibt die eigentlich untrennbar damit verbundene Einführung von vermögensbezogenen Steuern einmal mehr ein Tabu. Die streckenweise äußerst vage gehaltene Gegenfinanzierung ist zu Recht Gegenstand von Skepsis und Kritik und zeigt, dass mit der Lohnsteuersenkung zwar eine dringend notwendige Maßnahme gesetzt wird (ebenso die anvisierten Maßnahmen zur Steuerbetrugsbekämpfung), diese aber nicht in ein größeres Konzept nachhaltiger Reformen eingebettet ist.
Gesellschafts- und wirtschaftspolitisch führt jedoch kein Weg an einer fairen Besteuerung großer Erbschaften, Schenkungen und Vermögen vorbei. Ebenso wird der Finanzsektor – als Auslöser der weltweiten Krise! – seinen Beitrag leisten müssen, sei es auf EU Ebene über die lang diskutierte Finanztransaktionssteuer oder als vorübergehender nationaler Ersatz mit einer Börsenumsatzsteuer.
Auch die Verkürzung der Arbeitszeit und ihre Aufteilung auf mehr Köpfe ist eine Verteilungsfrage, deren Finanzierbarkeit letztlich ebenso im Rahmen der aktuellen Umverteilungsdebatte mitgedacht werden muss. Wer über Arbeitszeitverkürzung spricht, muss auch über Lohnausgleich sprechen und damit die Frage stellen, wer die Kosten einer Arbeitszeitverkürzung tragen soll. ¨