Editorial: Schutz und Nutzen

Naturschutz ist ein Anliegen, das im Interesse der gesamten Gesellschaft liegt. Neben dem Artenschutz und einer nachhaltigen Nutzung der Ressourcen ist der Gebietsschutz eine zentrale Säule des Naturschutzes. Obwohl Natura 2000-Gebiete durchaus im Rahmen der Schutzziele bewirtschaftet werden dürfen, gibt es in Österreich Widerstand gegen die notwendige Ausweisung weiterer Gebiete und eine konsequente Zielorientierung im Naturschutz sowie gegen einen bundeseinheitlichen, verbindlichen Rahmen. Mit Naturschutz als reine Länderangelegenheit mit jeweils unterschiedlichen Gesetzen und Zielen schneidet Österreich im europäischen Vergleich schlecht ab.  Das Schutzgebietsnetzwerk ist lückenhaft und ist Gegenstand von EU-Vertragsverletzungsverfahren. Bei näherer Betrachtung lokaler Widerstände gegen neue Natura 2000-Gebiete zeigt sich, dass es oft um wirtschaftliche Interessen Einzelner geht, die sich gegen die Natur und gegen gemeinsame Anliegen der Bevölkerung stellen. Zudem ist das Wissen rund um die Maßnahmen des modernen Naturschutzes noch sehr beschränkt. Mehr Dialog und Kommunikation sind gefragt.

Auf globaler Ebene sind die Konflikte noch deutlicher von wirtschaftlichen Interessen – meist großer internationaler Konzerne – geprägt und werden durch die Monetarisierung von Natur und Umwelt verschärft. Die Basis von neuen Instrumenten wie etwa Biodiversitätszertifikaten ist die Vorstellung, dass die Zerstörung der Natur in einer Region durch den Kauf von Zertifikaten für Maßnahmen an anderer Stelle ausgeglichen werden kann. Dem Käufer der Zertifikate erlauben sie, klima- und biodiversitätsschädigendes Verhalten unter dem Deckmantel der Kompensation guten Gewissens fortzusetzen. Dies ignoriert nicht nur, dass es um die Erhaltung einzigartiger Arten und Lebensräume geht, die eben nicht austauschbar sind, sondern vor allem auch den demokratiepolitischen Aspekt der Beteiligung der unmittelbar Betroffenen am Entscheidungsprozess und am Interessenausgleich. Nicht nur Natur, auch Gesetzesbruch wird käuflich.