Interview mit Wolfgang Katzian, Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes: Klimapolitik als soziale Herausforderung

Wo sieht der ÖGB bei dieser Strategie die größten Chancen, wo die größten Herausforderungen? Was sind die wesentlichsten Forderungen an die Regierung?

Der wesentliche Vorteil der nun vorliegenden Strategie ist, dass die ohnehin geltenden EU-weiten Zielvorgaben nun auch unmissverständlich auf nationaler Ebene anerkannt werden. Idealerweise sollte das nun zu mehr Planungssicherheit – sowohl für die Politik als auch die Unternehmen – führen. Die größten Chancen sehe ich darin, dass das was in der Strategie angekündigt wird, auch mit konkreten Maßnahmen und Budgetmitteln zum Leben erweckt wird. Entgegen mancher Darstellung hat Österreich dem Klimaschutz bisher nicht die nötige Aufmerksamkeit beigemessen. Aber eine intakte Umwelt ist eine zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung.

Daher wünsche ich mir von der Bundesregierung, dass bei dieser generationenübergreifenden Herausforderung auch die ArbeitnehmerInnen entsprechend gehört werden.

Die Umsetzung der klimapolitischen Ziele wird Veränderungen bei Konsum,  Produktion und Arbeitsplätzen bringen. Die englischen Gewerkschaften haben für eine aktive, Gestaltung dieses Prozesses im Sinn der ArbeitnehmerInnen den Begriff der „Just Transition“ geprägt. Was sind die Grundzüge der Strategie einer „Just Transition“ bei den österreichischen Gewerkschaften?

Die Transformation des jetzigen Wirtschaftssystems in eine CO2-arme bis 
CO2-freie Wirtschaft bringt immense strukturelle Umbrüche mit sich, die bis zum Verschwinden bestimmter Sektoren führen werden. Da stehen wir natürlich nicht daneben und schauen einfach zu, sondern kämpfen darum, dass die KollegInnen diesen Wandel gut überstehen. Das fängt damit an, dass klimapolitische Maßnahmen auf soziale und beschäftigungsmäßige Auswirkungen bewertet werden müssen, dass rechtzeitig in nachhaltig arbeitsplatzschaffende Niedrigemissionstechnologien investiert werden muss und führt über entsprechende arbeitsmarktpolitische Maßnahmen bis zur Mitbestimmung auf betrieblicher Ebenen was die konkrete Unternehmenspolitik anbelangt.

Im großen Zusammenhang geht es immer wieder um die Frage der Verlagerung von Industrieunternehmen in Staaten mit geringeren Anforderungen an die Emissionsreduktion. Was sind die Forderungen des ÖGB an die Regierung und an die EU in Hinblick auf die Maßnahmen gegen derartige Verlagerungen? Was sind Eure Erfahrungen aus den Gesprächen mit den Arbeitgebern und den Unternehmern?

Es ist völlig klar, dass jene heimischen Unternehmen, die europaweit – oft sogar weltweit – zu den effizientesten und saubersten ihrer jeweiligen Branchen gehören, geschützt werden müssen. Da gibt es entsprechende Instrumente innerhalb des Emissionshandels, die aber vielleicht nicht immer ganz greifen, was dann das Bild erzeugt, man würde trotz allem bestraft werden. Mir ist jedenfalls wichtig, dass sich die EU stärker gegen die internationale Konkurrenz behauptet und es keine Wettbewerbsverzerrung geben soll, weil sich andere Staaten nicht um den Klimaschutz kümmern. Das kann es nicht sein, dass wir dann neben der Schädigung unserer industriellen Basis auch noch das Klima durch CO2-Importe ruinieren.