Interview: Arbeitszeit, Wirtschaftkrise und Umwelt

Was haben Arbeitszeiten mit Umweltproblemen zu tun?

Van Treeck: Grundsätzlich können Produktivitätsgewinne in Form einer Produktionsausweitung oder einer Arbeitszeitverkürzung genutzt werden. In ungleichen Gesellschaften versuchen tendenziell viele Menschen durch lange Arbeitszeiten reich zu werden bzw. dem sozialen Abstieg zu entgehen. Das Problem ist jedoch, dass es sich hierbei weitgehend um ein Nullsummenspiel handelt, das an das Wettrüsten militärischer Kontrahenten erinnert: Wenn alle in ähnlichem Maße mehr arbeiten und mehr Geld für Statusgüter ausgeben wie Häuser, Autos, oder Ausbildung der Kinder, steigen zwar die Produktion und die Umweltverschmutzung, doch die relativen Einkommenspositionen bleiben im Wesentlichen erhalten. Gleichzeitig erhöhen sich aber die gesundheitlichen Belastungen durch vermehrten Stress und Konkurrenz sowie die Umweltbelastung – und es bleibt weniger Zeit für Schlaf, Familie, Freunde oder Hobbys.

Verhindert die hohe Einkommensungleichheit Arbeitszeitverkürzungen?

Van Treeck: Ja. Ein Grund ist, dass umfassende Arbeitszeitverkürzungen bei sehr ungleicher Einkommensverteilung politisch kaum durchsetzbar sind. Dieser Teufelskreis aus hoher Ungleichheit und überzogenen Arbeitszeiten müsste aus ökonomischen, sozialen und ökologischen Gründen dringend durchbrochen werden.

Ist die steigende Einkommensungleichheit eine Ursache der Wirtschafts- und Finanzkrise seit dem Jahr 2007?

Van Treeck: Ja. Das ist besonders offensichtlich in den USA, wo der private Konsum in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend kreditfinanziert war, was letztlich in die Schuldenkrise geführt hat.