Wissenschaft: Kommunaler Ausverkauf: Krise der Privatisierung

Die Privatisierung wichtiger öffentlicher Leistungen hat sich als Irrweg erwiesen, war der Tenor der Fachtagung. Heidrun Maier – de Kruijff vom Verband der Öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs (VÖWG) arbeitete z.B. heraus, dass jeder Euro, der in den untersuchten kommunalen Infrastrukturunternehmen an Wertschöpfung erwirtschaftet wird, weitere 1,7 Euro an Wertschöpfung für die gesamte Volkswirtschaft bringt. Und jeder Arbeitsplatz bei diesen Unternehmen generiert weitere 1,8 Arbeitsplätze in der Region. 

Öffentliche oder privat organisierte Daseinsvorsorge wirkt sich auch auf den Umweltschutz aus. In der öffentlichen Abwasserentsorgung Österreichs, Deutschlands und den Niederlanden werden 95 Prozent des Abwassers, in der weitgehend privatisierten Abwasserentsorgung Frankreichs oder Großbritanniens nur 50 bzw. 43 Prozent. des Abwassers mechanisch und biologisch gereinigt. Die Stadt Paris machte die Ende der 1980er Jahre erfolgte Privatisierung (Preisanstieg 265 Prozent) 2009 wieder rückgängig. Daraufhin sanken die Wasserpreise um acht Prozent.

Der Stadtsoziologe Andrej Holm von der Humboldt-Universität Berlin zeigte auf, wie die Wohnungsprivatisierung in Berlin zu neuen Eigentümertypen, dem Ende der traditionellen Wohnungswirtschaft und zu Ausverkauf und steigenden Mieten führte. 

Das Auftragsvolumen öffentlicher Institutionen in der EU macht etwa 20 Prozent des BIP aus, warnte Sylvia Leodolter von der AK Abteilung Umwelt und Verkehr. Von diesem Kuchen wollen auch die privaten Anbieter essen. Die Liberalisierung von Eisenbahnen bringt für sich weder höhere Marktanteile noch zufriedenere Kunden oder geringere öffentliche Ausgaben, sondern enormen Personalabbau, niedrigere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen. Seit mehr als fünf Jahren dominiert das Thema „Rekommunalisierung“, insbesondere die Energiewirtschaft steht dabei im Fokus, so der Sozialökonom und Volkswirt Jens Libbe vom Deutschen Institut für Urbanistik.

In seiner Analyse der Privatisierung von Krankenhäusern in Deutschland kommt Kai Mosebach vom Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main zu dem Schluss: Es lässt sich weder belegen noch widerlegen, dass private Krankenhäuser in Deutschland effizienter, produktiver und/oder qualitativ besser sind. Und: Kommerzialisierung, nicht Privatisierung ist das Grundproblem im deutschen Gesundheitswesen.

Die Studienreihe „Stadtpunkte“ wird von der Abteilung Kommunalpolitik der AK Wien herausgegeben. Sie soll in erster Linie Informationsmaterial und Diskussionsgrundlage für an diesen Fragen Interessierte darstellen. Sämtliche Studien sind kostenlos erhältlich  unter: Tel: +43 (0)1 50165 / 3047, E-Mail: stadt@akwien.at oder via Download.

Peter Prenner (Hg.): Kommunaler Ausverkauf. Von der Krise der Privatisierung. Stadtpunkte. Tagungsband der AK-Wien Fachtagung. Stand Jänner 2013