Betrieb

Vorbildliches Mobilitäts­management

Mobil sein, um zur Arbeit zu kommen, betrifft so gut wie jeden Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin. Gleichzeitig gibt es viele Unterschiede etwa in Bezug auf den Zeitaufwand, die Distanzen und beim gewählten Verkehrsmittel. Aktuelle Zahlen der Statistik Austria für 2011 zeigen, dass 91 Prozent der 3,9 Millionen Erwerbstätigen ihren Arbeitsplatz nicht am Wohngrundstück haben. Knapp mehr als die Hälfte der PendlerInnen hat eher kurze Arbeitswege von unter neun Kilometer, 18 Prozent pendeln zwischen zehn und 19 Kilometer und 31 Prozent müssen weitere Wege zurücklegen. Arbeitswege dauern im Durchschnitt 30 Minuten und damit länger als Einkaufs- oder Hol- und Bringwege.

Am gesamten Wegeaufkommen der ÖsterreicherInnen haben Arbeitswege einen Anteil von etwa 25 Prozent. Im Durchschnitt werden 60 Prozent der Pendelwege mit dem Pkw zurückgelegt, im städtischen Bereich sind es teilweise nur noch 30, im ländlichen Raum bis zu 90 Prozent. Problematisch an der Auto-Mobilität sind einerseits die hohen Kosten für die Haushalte (pro Pkw belaufen sich die monatlichen Ausgaben auf etwa 400 Euro) und andererseits die Auswirkungen auf die Allgemeinheit. Allen voran Lärm- und Luftbelastung – der Verkehrssektor gilt als zweitgrößter Klimasünder. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass der städtische Personenverkehr für 17 Prozent und der ländliche Personenverkehr immerhin für ein Drittel der verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist.

Arbeitswegunfälle

Obwohl der Zeitaufwand für den Arbeitsweg in der Regel nicht zur Arbeitszeit zählt, werden in der gesetzlichen Unfallversicherung Wegeunfälle zwischen Wohn- und Arbeitsort als Arbeitsunfälle behandelt. 2013 ereigneten sich fast 12.000 Unfälle am Arbeitsweg, rund die Hälfte davon waren Verkehrsunfälle im engeren Sinn. Damit machen Wegeunfälle elf Prozent der Arbeitsunfälle von Erwerbstätigen aus und zeichnen in etwa für rund 200.000 Krankenstandstage pro Jahr verantwortlich. Zwar hat dank der Bemühungen um mehr Arbeitssicherheit die Zahl der Arbeitsunfälle zwischen 2004 und 2013 um 15 Prozent abgenommen, Unfälle am Arbeitsweg sind im gleichen Zeitraum jedoch nur um drei Prozent gesunken. Besonders negativ: Wegeunfälle enden drei- bis viermal häufiger tödlich als Arbeitsunfälle. Das Risiko von Wegeunfällen ist bei der Fahrt mit dem Pkw erheblich größer als bei der Nutzung des öffentlichen Verkehrs.

In Summe zeigt sich, dass die Art der MitarbeiterInnenmobilität weitreichende Folgen für ArbeitnehmerInnen, Betriebe und deren AnrainerInnen und nicht zuletzt für die Umwelt und das Klima hat. Neben der Leistbarkeit und der Verfügbarkeit von Mobilitätsangeboten spielen auch die betrieblichen Rahmenbedingungen eine Rolle, wie und mit welchen Verkehrsmitteln die ArbeitnehmerInnen ihren Arbeitsplatz erreichen, weshalb auch Unternehmen in der Pflicht sind. 

Mobilitätsmanagement

Nicht ohne Grund hat sich ab den 1990ern das Managen der betrieblichen Mobilität mehr und mehr etabliert. Die Ziele dabei sind Emissionen und andere nachteilige Folgen der Mobilität zu verringern und damit zu nachhaltigerer Mobilität beizutragen. Damit soll effizientere, sozial- und umweltverträgliche Mobilität für die MitarbeiterInnen ermöglicht werden. War betriebliches Mobilitätsmanagement vor einigen Jahren noch Pionierarbeit, gibt es heute zahlreiche Initiativen dazu. Es zeigt sich jedoch, dass dabei die Einsparung von Treibhausgasemissionen eher im Vordergrund steht, Vorteile für und Bedürfnisse von MitarbeiterInnen kommen oftmals am Rande vor. Dabei geht es um so viel mehr. 

LKH-Universitäts-Klinikum Graz

Das zeigen auch die Siegerprojekte des diesjährigen VCÖ-Mobilitätspreises. Unter den rund 300 eingereichten Projekten kommt nicht nur der Gesamtsieger aus dem Bereich der MitarbeiterInnenmobilität, sondern insgesamt wurden drei Betriebe für ihre Bemühungen um die Mobilität ihrer Beschäftigten ausgezeichnet. Einer davon ist das LKH-Univ. Klinikum Graz, der größte Betrieb in der Steiermark. 

Die fast 7.000 MitarbeiterInnen sorgen für ein entsprechendes Verkehrsaufkommen, und wenn viele mit dem PKW zur Arbeit pendeln, benötigt es auch gehörig Platz zum Abstellen der Fahrzeuge. Diesen gibt es allerdings nur begrenzt in Form von rund 2.050 Stellplätzen, was von vielen als besonders problematisch erlebt worden war. Denn pro Jahr konnten im Durchschnitt durch personelle Veränderungen nur 200 Parkplätze neu vergeben werden, zeitweise stapelten sich jedoch über 700 neue Parkanträge. Gerhard Hammer vertritt als Betriebsrat über 5.200 Angestellte des LKH-Univ. Klinikum Graz und berichtet über die damalige Problematik: „Wir haben stets versucht, soziale Aspekte bei der Parkplatzvergabe zu berücksichtigen“ und meint damit, dass beispielsweise Eltern, die ihre Kinder in den Betriebskindergarten bringen, bevorzugt werden. Aber bei der Vielzahl von Anfragen war ein Abwägen oft unmöglich. Im Projekt „Mitarbeitermobilität NEU am LKH-Univ. Klinikum Graz“ haben Betriebsdirektor, Personalleitung und Betriebsrat Anfang 2013 Nägel mit Köpfen gemacht. So wurde in Betriebsvereinbarungen die Vergabe der Parkplätze neu geregelt und die Nutzung sozial gestaffelt verteuert. Das heißt, dass bei der Preisgestaltung die Entfernung oder auch Betreuungspflichten für Kinder mitberücksichtigt wurde. 

Gegenwind

„Anfangs gab es da einigen Gegenwind“, erklärt Personalchef und Projektleiter Mag. Thomas Bredenfeldt und ist überzeugt, dass der Erfolg der Maßnahmen darauf beruht, dass es gelungen ist, aus einer Loose-loose eine Win-win Situation zu machen. Denn die Mehreinnahmen machen es möglich, dass alle, die mit dem öffentlichen Verkehr kommen, vom Arbeitgeber ein Jobticket finanziert bekommen. Das bedeutet, dass jeder wählen kann, entweder auf seine herkömmliche Weise mit dem Auto oder bequem und kostenlos mit dem öffentlichen Verkehr zur Arbeit zu kommen. Auch für die RadnutzerInnen gibt es sehr gute Angebote, betont Ing. Joachim Sachornig, der für das Facility Management zuständig ist: „Insgesamt stehen am Gelände fast 1.700 Radabstellplätze zur Verfügung, nahezu 300 davon überdacht, sowie zwei Self-Service-Boxen mit allen wichtigen Werkzeugen.“ Zusätzlich werden gratis Fahrrad-Services angeboten und können hochqualitative Fahrräder günstig erworben werden.

BETRIEB_ZF_LKH_Graz_www.gsund.jpg

Erfolgsbilanz

Der Erfolg kann sich sehen lassen. Die Parkplatzknappheit gehört der Vergangenheit an, in nur einem halben Jahr gaben 264 Beschäftigte ihre Parkplätze zurück. Mag. Alexandra Karner, die die finanziellen und personellen Rahmenbedingungen bestens kennt, berichtet, dass die Zahl der finanzierten Jobtickets weiterhin steigt und diesen Oktober die Zahl von 1.800 überstiegen hat. All jenen, die Angst vor einem überbordenden Verwaltungsaufwand für die Jobtickets haben, nimmt Gertrude Neuhold den Wind aus den Segeln. „Pro Woche zwei Stunden meiner Arbeitszeit sind wenig, wenn man den enormen Nutzen gegenüberstellt, den der Standort durch die vermehrte Öffi-Nutzung hat.“ Das Team des LKH-Univ. Klinkum Graz blickt voll Tatendrang in die Zukunft und hat schon einiges in Umsetzung: von E-Tankstellen über Smartphone Apps bis hin zur Mitsprache bei der Fahrplangestaltung und Linienführung der öffentlichen Verkehrsmittel. Die Erfahrungen zeigen: Mobilitätsmanagement bringt’s, man muss nur damit anfangen!