Betrieb

Die Initiative Umwelt + Bauen

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Im Jahr 1987 wurde die Wohnbauförderung aus dem Volkswohnungswesen herausgelöst und in die Generalkompetenz der Länder übertragen. Auf Basis einer Vereinbarung nach Art. 15a B-VG wurde zwischen Bund und Ländern die Verländerung der Förderung beschlossen. Gleichzeitig wurden zweckgewidmete Zuschüsse des Bundes an die Länder vereinbart und im Wohnbauförderungs-ZweckzuschussG 1989 festgelegt. Im Jahr 1996 wurde im StrukturanpassungsG die Mittelaufbringung vom Aufkommen des Wohnbauförderungsbeitrags und aus den Einkommensteuerbestandteilen entkoppelt und auf einen Zweckzuschuss im Ausmaß von 1,78 Milliarden Euro eingefroren. Mit der ZweckzuschussG-Novelle 2001 kam es zu einer Aufweichung der Zweckbindung der Bundesmittel sowie Aufhebung der Mittelrückflüsse aus früheren Landesdarlehen. Ein Einsatz der Gelder auch für andere Zwecke wurde möglich. Seit dem FinanzausgleichsG 2008 ist die Zweckwidmung nicht mehr gegeben. Dies zeigt: Die  Politik hat sich seit den 1990er Jahren von einer  verantwortungsbewussten Wohnbauförderung verabschiedet.

Als Reaktion darauf hat die Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) Ziele definiert, die nur mit allen „Playern“ gemeinsam erreicht werden können: Leistbare Wohnungen, eine steigende Sanierungsquote sowie eine zukunftsweisende öffentliche Infrastruktur- und Energiepolitik. Aus Anlass des Konjunkturpaketes 2008 wurde daher der Bundesregierung seitens der GBH gemeinsam mit der Bundesinnung Bau, dem Fachverband der Stein- und Keramischen Industrie und GLOBAL 2000 ein BAU-Pakt für Österreich angeboten. Es sollte gemeinsam an einem Maßnahmenpaket gearbeitet werden, das in den oben genannten Bereichen zur Belebung der Konjunktur beiträgt. Die GBH konnte mit 15 Partnerorganisationen im Jahr 2010 die Initiative Umwelt + Bauen ins Leben rufen. 

Ziele

Ziel der Initiative ist, die breite Öffentlichkeit und die politischen Verantwortungsträger von nachhaltigen Investitionen zu überzeugen. Diese sollen als Konjunkturmotor dienen und damit den Arbeitsmarkt entlas­ten sowie dem Staat zusätzliche Einnahmen aus Steuern und Abgaben sichern. Die Realität spricht im Wohnbau eine deutliche Sprache: Wurden in den Jahren 2000 bis 2010 im Schnitt 30.000 Wohneinheiten gefördert errichtet, waren es laut dem Österreichischem Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen 2013 nur noch 23.700 Einheiten. Besonders Personen mit geringem Einkommen spüren diese Sparmaßnahmen stark. 

Die Initiative versucht, dem Grundbedürfnis Wohnen jenen Stellenwert zurückzugeben, den es vor der Aufweichung der Wohnbauförderung hatte. Es muss gelingen, dass der Wohnbau nachhaltig gesichert wird. Mittels sinnvoller Sanierungsmaßnahmen kann der CO2-Ausstoß vermindert werden. Mit einer Anhebung der Sanierungsrate auf drei Prozent können ein Investitionsvolumen von zwei Milliarden Euro ausgelöst und 28.000 Arbeitsplätze gesichert werden. Aus diesen Überlegungen resultieren die Kernziele der Initiative Umwelt + Bauen (siehe Kasten Seite 27).

Im Jahr 2011 wurde der wissenschaftliche Beirat von Umwelt + Bauen vorgestellt. Diese interdisziplinäre Plattform begleitet die Nachhaltigkeitsinitiative inhaltlich, strategisch und wissenschaftlich. Die Initiative griff das Thema der Bereitstellung von leistbarem Wohnraum auf und stellte in weiterer Folge in zwei Schritten 2012 und 2013 Lösungsmöglichkeiten vor (siehe Kasten).

Raumordnung

Die Initiative Umwelt + Bauen widmet sich darüber hinaus mit einer eigenen Arbeitsgruppe dem Themenschwerpunkt Raumordnung und Infrastruktur, da in Österreich dieser Bereich nicht im Zentrum des öffentlichen Interesses steht. Als Plattform der österreichischen Raumplanung fungiert die Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK). Gleichzeitig existiert kein verbindlicher Rechtsrahmen und damit auch kein österreichweit gültiger Raumordnungsplan. Die Raumordnung liegt im Kompetenzbereich der Länder. Dass es hier zu Widersprüchen und Interessenskonflikten kommen kann, versteht sich von selbst. 

Der Raumordnung kommt eine überaus große Bedeutung zu, da die Quantität und Qualität der Bereitstellung von Versorgungseinrichtungen beispielsweise in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Energie, Verkehr, Kultur, Sport, Wohnen oder Soziales über die Qualität eines Standortes entscheidet. 

Aufgabe der Raumordnung ist es, in diesen Bereichen beim Auftreten von Widersprüchen eine Lösung herbeizuführen und mittels Bebauungs- und Flächenwidmungsplänen Regelungen für die Nutzung durch Landwirtschaft, Gewerbe, Verkehr, Wohnraum oder Industrie herbeizuführen. Zudem werden die Lagen und Dichten der Bebauung, technische Aspekte und ästhetische Fragen geklärt. 

Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass gerade in den letzten Jahren ein Wildwuchs in diesem Bereich zu finden ist. Ein Trend hin zur Zersiedelung mit Bauten am Stadtrand ist österreichweit feststellbar. Die Gründe sind schnell ausgemacht: Der Bau von Einfamilienhäusern und die Ansiedelung von Unternehmen und Einkaufszentren am Stadtrand. Dabei ist die Infrastruktur mit aufzubauen. Die Erschließung von Grundstücken zur Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Strom, Straßen, öffentliche Verkehrsmittel, Bildungseinrichtungen usw. verursacht Kosten, die die Allgemeinheit zu tragen hat. Gleichzeitig veröden die Innenstädte und Ortskerne. Dort ist jedoch (vielfach seit Jahrhunderten) Infrastruktur angesiedelt. Man denke nur an die Standorte der Post, an Bahnhöfe, Schulen, Universitäten oder Ämter, die in zentralen Lagen gebaut wurden und damit einen wichtigen Teil einer vitalen Stadt ergeben. Heute kämpfen gleichzeitig zentrumsnahe Schulen um Schüler, während am Stadtrand Schulen fehlen. 

Infrastruktur

Eine weitere negative Folge des beschriebenen Sachverhalts ist die Verschlechterung der Verkehrssituation. Agglomerationen und Zersiedelung verursachen Verkehr, verbunden mit Lärm und Abgasen. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes hinkt dem Wachstum der Städte hinterher. Dahinter verbergen sich politische Fragestellungen, die mit der Bereitstellung von Infrastruktur zu tun haben: Wie groß ist die Nachfrage nach Infrastruktur und damit öffentlichen Gütern? Auch muss die Frage gelöst werden, wer diese herstellt und betreibt. Strittig sind auch die Finanzierung und die Frage, ob ein Entgelt eingehoben werden soll oder nicht.

Die Nachfrage nach öffentlichen Gütern wird vielfach überschätzt, da jeder „lieber mehr als weniger“ Infrastruktur haben will. Aufgabe der Politik ist es nun, diese Nachfrage zu kanalisieren und Gelder sinnvoll einzusetzen.

Die Infrastruktur im Verkehrsbereich ist durch einen großen Fixkostenanteil gekennzeichnet. Damit ist ein Bau nur zu rechtfertigen, wenn die Nachfrage sehr hoch ist. Allerdings gelangen Straße und Schiene bei entsprechend großer Nutzung rasch an ihre Kapazitätsgrenzen. Dies erfordert staatliche Regulierung und entsprechendes Mobilitätsmanagement. Das Mobilitätsverhalten der Bürger ist bis zu einem bestimmten Grad steuerbar. Die Bereitstellung und Attraktivierung von öffentlichen Verkehrsdiensten lässt die Nutzung steigen und sorgt in mehrfacher Weise für eine Verbesserung: Einerseits geht die PKW-Nutzung zurück und die Staugefahr nimmt ab, andererseits ist mit einer Verbesserung der Luftqualität zu rechnen. 

Die Politik kann durch Vergabe von Subventionen die Mobilität in gewünschte Bahnen lenken. Dünn besiedelte Gebiete können durch öffentliche Verkehrsmittel erschlossen werden, damit speziell PendlerInnen ihre Arbeitsstätten erreichen. In Ballungsräumen ist ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs sinnvoll, weil dadurch der modal split positiv beeinflusst werden kann. Damit funktioniert eine zukunftsfähige Verkehrspolitik nur über den gezielten Ausbau des öffentlichen Verkehrs.